Wie Haydn seinen Kopf verlor - und wieder bekam

Franz Joseph Haydn starb am Mittwoch, den 31.5.1809, an Altersschwäche im Alter von 77 Jahren in Wien,während die französische Armee unter Napoleon in Wien eindrang. Es geschah 10 Tage nach dem Beginn der Schlacht um Aspern und Eßling und kurz vor der Schlacht am Wagram am 5. und 6. Juni. Zu seinen letzten Worten gehörte der Versuch, die Diener zu beruhigen, als in der Nachbarschaft Kanonenschüsse fielen.


Totenmaske Haydns
Quelle: Haydn-Kids

Wegen dieser angespannten Situation wurde Haydn auf dem Hundsturmer Friedhof (heute Haydnpark beim Gaudenzdorfer Gürtel in Wien-Meidling) eilig beigesetzt. Erst 1814, also fünf Jahre später, stiftete sein Schüler Sigismund von Neukomm das Grabmal, die Familie Esterházy zeigte zunächst kein Interesse, den Toten zu würdigen.

Erst die Bewunderung von Adolphus Frederick, 1. Duke of Cambridge, erinnerte Fürst Nikolaus II. wieder an den früheren Bediensteten. Er ließ Haydn 1820 exhumieren und nach Eisenstadt in die Bergkirche überführen. Als bei diesen Arbeiten der Sarg geöffnet wurde, fehlte der Schädel. Anstelle des Kopfes fand man bloß eine Perücke.

Damals war man fasziniert von der Schädellehre des Franz Joseph Gall (1758 - 1828). Ein Opfer dieser „Schädelhysterie“ war der Kopf des toten Joseph Haydn.


Foto: Wikimedia

Galls Spezialgebiet war die damals brandaktuelle Gehirnanatomie. Sein bleibendes Verdienst ist die Entdeckung der sogenannten „Lokalisation“, d.h. der Erkenntnis, dass die verschiedenen Gehirnpartien je verschiedene Funktionen ausüben. Davon ausgehend leitete er die heute eher kurios anmutende Schädellehre oder Phrenologie ab. Besonders ausgeprägte oder unterentwickelte Gehirnpartien – so meinte Gall – seien an der Schädeldecke als Buckel oder Vertiefung erkennbar.

Als Studienmaterial besorgte er sich ab 1796 Lebend- wie Totenmasken von allem, was in Wien Rang und Namen hatte, aber auch die Totenschädel von Selbstmördern.

Seit 1796 hielt Gall in Wien Privatvorlesungen, die großes Interesse hervorriefen. Hohe Staatsbeamte, Gelehrte, Priester, Künstler, in- und ausländische Ärzte, Wiener Bürger und Studenten zählten zu Galls Anhängern: sie alle wollten wissen, wie man an Buckeln und Erhebungen des knöchernen Schädels, die zu ertasten waren, Diebe, Mörder, Schlaue, Geizige, Maler, Dichter, Musiker oder Philosophen erkennen könne.

1802 beendet Kaiser Franz die Phrenologie-Diskussion in Österreich durch ein Lehrverbot.

1807 ließ sich Gall in Paris nieder. Seine Schädelsammlung aber blieb in Wien zurück; heute befindet sie sich im Rollettmuseum in Baden.

Empört forderte Fürst Nikolaus von Esterházy eine Untersuchung. Die Täter waren rasch ausgeforscht: der Sekretär des Fürsten Esterházy – Joseph Carl Rosenbaum, ein Anhänger der Schädellehre von Franz Joseph Gall und Besitzer mehrerer Schädel – hatte den Totengräber Jakob Demut, den Gefängnisverwalter Johann Peter, sowie die zwei Wiener Beamten Ignaz Ullmann und Michael Jungmann bestochen, acht Tage nach der Beisetzung heimlich das Grab zu öffnen und den Schädel zu entwenden.

Eine Hausdurchsuchung blieb allerdings erfolglos, da Frau Rosenbaum die Reliquie in ihrem Bett versteckte und sich vor der Polizeikommission krank stellte.

Rosenbaum vermaß Haydns Cranum und stellte fest: „Es wurde vorzüglich der Tonsinn, wie ihn Gall in seinem Prodromus bezeichnet, gefunden“ (Tagebuch des Joseph Carl Rosenbaum).

Das Versteck des Schädels konnte zunächst nicht ermittelt werden, eine Hausdurchsuchung blieb erfolglos, da Frau Rosenbaum die Reliquie in ihrem Bett versteckte und sich vor der Polizeikommission krank stellte. Und so wurde der Leichnam ohne Schädel nach Eisenstadt überführt und dort beigesetzt.

Später übergab der Gefängnisverwalter Johann Nepomuk Peter der Polizei einen angeblichen Schädel Haydns. Es stellte sich durch den Anatomen Mayer von der Universität Wien heraus, dass es ein Schädel eines Kindes war. Nachdem die Polizei den Schwindel aufdeckte, übergab Rosenbaum einen Schädel eines Greises, aber nicht das Cranum Haydns, weil er die zugesagte „Belohnung“ durch Esterhazy nicht erhalten hatte. Dieser Schädel wurde ohne viel Aufhebens Haydns Gebeinen hinzugefügt.


Entwurf zum Grabmal Joseph Haydns in der Bergkirche in Eisenstadt
Charles de Moreau, und um 1820


Fotosammlung Margarete Kohs

Den echten Schädel hinterließ der Sekretär Rosenbaum seinem Freund Peter mit dem Auftrag, ihn dem Musikkonservatorium zu vermachen. Doch weder Peter wagte die Herausgabe aus Angst vor polizeilicher Verfolgung nicht:

Peter legte in seinem Testament fest:
"Übergeben an das genannte Musikkonservatorium soll dieser Kopf des Haydn, welches ich mit dem Eid, so wahr mir Gott helfe, beteuere, dass er derselbe ist, erst nach meinem Tode aus dem Grunde werden, um wegen dieser Handlung, die mir gut scheint, vor Verfolgung mich zu bewahren."

Kurz vor seinem Tod übergibt Peter den Schädel seinem Arzt Dr. Carl Heller, der ihn 1852 an ein pathologisch-anatomisches Institut weitergibt, dem Carl Freiherr von Rokitansky vorsteht. Dessen Erben übergaben den Schädel 1895 der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, die ihn Jahrzehnte hindurch als kostbares Schaustück ihres Museums aufbewahrte.

Weder Peter, noch Rosenbaum wurden je wegen Diebstahl, Grabschändung, Störung der Totenruhe etc. angezeigt oder verurteilt.

1909, anlässlich des 100. Todestages von Joseph Haydn, öffnete man Haydns Gruft, und nachdem man sich überzeugt hatte, dass der Leichnam Haydns unversehrt war, soll, wie ein Augenzeuge berichtet, die Fürstin Esterházy den Befehl gegeben haben, den Gruftdeckel zu schließen. "Für immer, auf dass Haydn ruhen könne."

Nun, er ruhte noch lange nicht. 1932, anläßlich des 200. Geburtstages, wollte Paul Esterházy den Schädel mit dem Körper vereinen. Er verhandelte mit dem Musikverein und ließ nach Plänen des Architekten Franz Kraus im linken Seitentrakt der Eisenstädter Bergkirche unter dem Nordturm das Haydn-Mausoleum errichten, in dem die Gebeine Haydns bestattet wurden.

Alles war vorbereitet, doch im letzten Augenblick wurde das Vorhaben verhindert. Der Musikwissenschafter Dr. Otto Biba von der Gesellschaft der Musikfreunde begründete dies damit, dass die Gesetze in der Bundeshauptstadt Wien den Transport von Leichenteilen über die Stadtgrenzen hinaus verboten hätten. Er widerlegte damit Gerüchte, wonach sich die Musikfreunde den Schädel Joseph Haydns abkaufen lassen wollten.

1954 entscheidet der Musikverein dann doch, dass der Schädel mit den Gebeinen wiedervereint werden soll.

Am 5. Juni 1954 führte der Weg des Schädels die "musikalische Leithalinie" entlang und durch Eisenstadt, an seinem Wohnhaus und am Schloss vorbei, zur Bergkirche.

Fotosammlung Margarete Kohs

Foto: Franz Schalling
zur Verfügung gestellt von Mag. Erich Märk

Foto: Franz Schalling
zur Verfügung gestellt von Mag. Erich Märk

Dort legte der Bildhauer Gustinus Ambrosi im Rahmen einer groß angelegten Feierlichkeit und nach einer Weihung durch Prälat Dr. Josef Koller feierlich den Schädel zu den vorhandenen Gebeinen in den Sarkophag.

Fotosammlung Margarete Kohs

Fotosammlung Margarete Kohs

 Über die Schädelübergabe wurde diese Urkunde ausgefertigt:
1954 VI 5, Wien
Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien übergibt dem Burgenland den Kopf des Tondichters Joseph Haydn zur Bestattung im Mausoleum der Eisenstädter Bergkirche.

Societas Vindobonensis Musicae Cultorum
anno postquam condita est CXLII, praeside
doctore Alexandro Hryntschak,

ex decreto eorum, qui eam hoc tempore gubernant, unanimo, quod factum est die XXVIII mensis Septembris anni MCMLIII, impetrato consensu senatus urbis Vindobonae

magistro civium Francisco Jonas,
JOSEPHI HAYDN
viri in musica eminentissimi reliquiarum
mortalium quae pars adhuc sepultura carebat,
eam terrae inter foederatas Austriae novissimae, quae
dicitur Burgenland, eiusque urbi primariae Eisenstadt,
capitaneo terrae doctore Laurentio Karall,
magistro civium Eisenstadtensi Johanne Tinhof,
in custodiam tradit propriamque dicat.

Cum olim nefariis manibus scelesta audacia e falsa sciendi cupiditate orta
cumulo ereptum , per complura decennia in occulto retentum, ante hos LIX annos ab heredibus Francisci de Rokitansky anatomiae professoris museo Societatis musicae cultorum spectandi venerandique causa traditum profano loco in perpetuum destinatum videretur

divini illius viri caput,

iam ex libera eorum, qui supra dicti sunt, volúntate, quae plene congruit cum testamento eius, cuius in potestate postremum fuerat, ut denique satisfieret

pietati, provisum est ut ad reliquum corpus sepulcro conditum id accederet. 

Benedictionibus Sanctae Ecclesiae munitum
quod mori potuit Josephi HAYDN

requiescat abhinc in mausoleo diu parato ecclesiae Eisenstadtensis in monte sitae, in eiusdem aedis sacrae crypta, in qua ultimae eius missae, quibus profundam fidem ingenuamque suam pietatem singulari quadam arte testificatus est, primum auditae
sunt ad laudem et gloriam

dei patris omnipotentis.

Hoc sic ratum esse pro Societate Vindobonensi Musicae Cultorum nominibus
suis adscriptis testantur


            Alexander Hryntschak                             Franz Kosch
                     Praeses                                     E gubernatoribus 

Die V mensis Iunii anni MCMLIV

Übersetzung:
Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien übergibt im 142. Jahr ihres Bestandes unter ihrem Präsidenten Dr. Alexander Hryntschak auf Grund eines einmütigen Beschlusses des Vorstandes vom 28. September 1953 mit Zustimmung des Senates der Stadt Wien unter Bürgermeister Franz Jonas jenen Teil der sterblichen Überreste des hervorragenden Musikers Joseph H a y d n , dem bisher eine Bestattung vorenthalten war, dem jüngsten Bundesland Österreichs, Burgen­land, und dessen Hauptstadt Eisenstadt unter dem Landeshauptmann Dr. Lorenz Karall und dem Bürgermeister Johann Tinhof in Verwahrung und erklärt ihn zu eigen.
Nachdem einstens der Kopf jenes vergötterten Menschen von ruchlosen Hän­den in verabscheuungswürdiger Kühnheit aus falscher Wißbegier dem Grabe ent­rissen, durch mehrere Jahrzehnte an unbekanntem Orte zurückbehalten, vor 59 Jahren aber von den Nachkommen des Professors der Anatomie Franz von Roki­tansky dem Museum der Gesellschaft der Musikfreunde zur Besichtigung und Ver­ehrung übergeben und für immer zur Aufbewahrung an einem profanen Ort bestimmt zu sein schien, wurde aus freiem Willen der oben Erwähnten in voller Übereinstimmung mit dem Testamente jenes, in dessen Verfügungsrecht er letzthin gestanden, verfügt, daß er, um endlich der Pietät Genüge zu tun, mit dem übrigen Körper im Grabe vereinigt werde.
Möge ab nun das, was sterblich an Joseph Haydn war, umhegt von den Segnungen der hl. Kirche, im schon vor langem vorbereiteten Mausoleum der Ei­senstädter Bergkirche ruhen, in der Krypta jenes Gotteshauses, in dem die letzten Messen des Meisters, die seinen tiefen Glauben und seine innige Frömmigkeit in einzigartiger Kunst zum Ausdruck bringen, erstmalig gehört worden sind, zu Lob und Ruhm Gottes, des allmächtigen Vaters.
Daß dies für die Gesellschaft der Musikfreunde in Rechtskraft erwachsen, bestätigen mit ihren Unterschriften

            Alexander Hryntschak                             Franz Kosch
                    Der Präsident:         Aus den Reihen der Vorstandsmitglieder:

Am 5. Juni 1954.

 

Der Magistrat der Freistadt Eisenstadt verfasst über diese Übergabe und Beisetzung folgende Niederschrift:

1954 VI 4, Eisenstadt.

Eine Amtsabordnung der Freistadt Eisenstadt nimmt die Exhumierung der sterblichen Überreste des Tondichters Joseph Haydn vor, um sie mit dem von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien übergebenen Haydnkopf end­ gültig im Haydn-Mausoleum in der Eisenstädter Bergkirche zu bestatten.

Magistrat der Freistadt Eisenstadt
Niederschrift

über die am 4. 6. 1954 um 14,20 Uhr in der Gruft der Bergkirche vorgenommene Exhumierung des Tondichters Joseph Haydn, welcher am 31. 3. 1732 in Rohrau a. d. L. geboren und am 31. 5. 1809 in Wien verstorben ist. Die Exhumierung wurde durchgeführt zum Zwecke der feierlichen und endgültigen Bestattung im Haydn-Mausoleum in der Bergkirche anläßlich der Überführung des Haydn-Schädls von Wien nach Eisenstadt.

Anwesend waren:

I. Amtsabordnung

  1. Bürgermeister der Freistadt Eisenstadt Hans Tinhof, Hauptschullehrer in Eisenstadt, als V erhandlungsleiter
  2. Der Stadtphysikus der Freistadt Eisenstadt Medizinalrat Dr. med. Ernst Nindl in Eisenstadt, zur Überwachung der sanitätspolizeilichen Vorschriften 
  3. Magistratsdirektor der Freistadt Eisenstadt Dr. jur. Oskar Cserny in
    Eisenstadt als Schriftführer
  4. Regierungsrat Adalbert Riedl, Kustos des Burgenländischen Landes­museums in Eisenstadt
  5. Ernst Schmit, Angestellter des Magistrates der Freistadt Eisenstadt zur Unterstützung des Stadtphysikus.

II. Als Zeugen der Amtshandlung sind erschienen

  1. Landesrat Hans Bögl, als Kulturreferent der Burgenländischen Landes­ regierung
  2. Landesbeamter Franz Soronics, Stadtrat der Freistadt Eisenstadt, als Ver­ treter des Pfarrkirchenrates der Pfarre Oberberg Eisenstadt
  3. Vertragsangestellter des Amtes der Burgenländischen Landesregierung Franz Probst, Sekretär im Kulturreferat.
 III. Antragsteller der Exhumierung
        Prälat Dr. Josef Koller, Propstpfarrer in Eisenstadt Oberberg.

Vorgeschichte:
Es ist überliefert, daß Joseph Haydn am 31. 5. 1809 in Wien gestorben ist
und im Hundsthurmer-Friedhof, dem heutigen Esterhazypark, in Wien bestattet wurde. Von Anhängern der GalPschen Schädellehre wurde der Haydnkopf vom Leichnam abgetrennt und entwendet. Anläßlich der Überführung des Toten nach Eisenstadt wurde ein fremder präparierter Schädel zum Leichnam geschmuggelt. Die Exhumierung fand in Wien am 30. 10. 1820 statt und am 7. 11. 1820 wurde die feierliche Beisetzung in der Gruft der Bergkirche in Eisenstadt vollzogen. Der wirkliche Haydnkopf wechselte nach seiner Entwendung des öfteren seinen Besitzer, um schließlich in den Besitz der „Gesellschaft der Musikfreunde“ in Wien zu gelangen.
Nach langen Verhandlungen erklärte sich die „Gesellschaft der Musikfreunde“ in Wien bereit, den wirklichen Haydn-Schädl nach Eisenstadt zu überführen, damit er mit den hier liegenden sterblichen Überresten des Tondichters endlich im Sarkophag des Haydn-Mausoleums in der Bergkirche zur ewigen Ruhe bestattet werden kann.

Exhumierungsvorgang
Die Gruft, auf deren Grabtafel nachstehende Daten aufscheinen, wurde von einigen Kommissionsmitgliedern mit Hammer und Meißel geöffnet:

Theresia Schmidt,                 gest. den 12.6.1806.
Elisabeth von Pawlowszky,     gest. den 29. April 1808.
Joseph Haydn,                      gest. den 31. Mai 1808.
Johann von Szentgäly,           gest. den 11. Jänner 1823.
Melchior von Pawlowszky,      gest. den 28. December 1827.
Magdalena Juház,                  gest. den 27. Juny 1829.
Johann Fuchs,                       gest. den 29. Oktober 1839.

Die Gruft ist mit einer Steinplatte versehen, die unten auf zwei Scharniere lagert und daher abwärts zu öffnen ist. Außer dem Zementmörtel ist die Stein­ platte noch gesichert durch eine in Eisenringe eingeführte Eisenstange, welche durch ein versiegeltes Vorhängeschloß gesperrt ist. Das im Jahre 1932 von der Fürst Esterházy‘schen Kommission angebrachte Siegel war beim Öffnen unverletzt. Nachdem die Gruft geöffnet war, stiegen Medizinalrat Dr. E. Nindl, Regierungsrat A. Riedl ung Ernst Schmidt in dieselbe ein und suchten den Sarg, in welchem die Gebeine Haydn‘s begraben wurden. Als Richtschnur diente die Niederschrift der Fürst Esterhäzy‘schen Kommission, welche im Jahre 1932 im Aufträge des Fürsten Paul Esterhazy den Haydn-Leichnam zu agnoszieren hatte, in welcher auf Seite 5, letzter Absatz, folgendes vermerkt ist:

 „Der dritte Sarg in der links gelegenen Nische ist aus Nußholz und ist ohne jedem Merkmal einer Aufschrift gefundnen worden. Im Sarg befindet sich ein Skelett. Im ersten Moment fällt der Schädel auf, dessen Färbung viel lichter, als die übrigen Gebeine sind. Der Schädel wurde genau untersucht und konstatiert, daß der Unterkiefer beiderseitig mit einer Seidenschnur an den Schädel befestigt ist. Dieser Umstand bestätigt die in Alfred Schnerich‘s Werk „Joseph Haydn und seine Sendung“ vorkommende Feststellung, daß Haydn‘s Kopf nach der Beerdigung im Wiener Friedhof abgeschnitten wurde und als der Leichnam nach Eisenstadt kam, ein fremder Schädel zum Leichnam geschmuggelt wurde. (Siehe Seite 159 bis 160 des Werkes.) Der übrige Teil des Skelettes weist auf starkes Gebein männlichen Geschlechtes.
Um jeden Zweifel auszuweichen, haben wir zur Besichtigung den pens. Eisen­städter Bezirksarzt Dr. Heinrich Pfeiffer eingeladen, der aus den Beckenknochen konstatierte, daß das Skelett das eines Mannes ist. Betreffs des Schädels hatte er konstatiert, daß dieser gereinigt, daher präpariert ist. Aus den beschriebenen obi­gen Umständen getraut sich die Kommission mit voller Beruhigung zu behaupten, daß die irdischen Überreste Haydn's mit dem fremden Schädel in der linksseitigen Nische der geöffneten Gruft in dem links befindlichen Nußholzsarge ruhen. Beson-deres Kennzeichen dafür ist der präparierte Schädel.“

Nachdem die drei in die Gruft eingestiegenen Kommissionsmitglieder sämt­liche Sargreste aufs genaueste untersuchten, wurde von Medizinalrat Dr. E. Nindl folgendes festgestellt: In der linken Nische linksseitig gelegen, befindet sich auf vermorschten Sargteilen ein präparierter Schädel, der durch die Jahre verwittert gelblich gefärbt ist und an dem das Unterkiefer mit dem Oberkiefer mittels eines Bandes noch immer verbunden ist, wie es bei anatomisch präparierten Schädeln üblich ist. Auf den selben Sargresten liegt ein Skelett, welches auf Grund seiner Lage in der Gruft und durch den beigelegten anatomisch präparierten Schädel als das des Joseph Haydn bezeichnet werden kann. Der Leichnam liegt mit dem Kopfende zur Gruftöffnung.
Hierauf wurde der gegenständliche Schädel aus der Gruft herausgenommen und den Kommissionsmitgliedem zur genauen Betrachtung überreicht, welche die im vorhergehenden Absatz angegebene Feststellung des Medizinalrat Dr. E. Nindl vollinhaltlich bestätigen konnten.
Anschließend wurde das Skelett auf einem Sargbrett herausgehoben. Be­züglich des Skelettes stellt der Stadtphysikus fest, daß die Gebeine auf eine unter­setzte Gestalt mit schmalen Becken hinweisen. Die fast vollständig vorgefundenen Knochen weisen eine dunkelbraune Färbung auf, die sich vom Kopf, der einen helleren Farbton aufweist, wesentlich unterscheiden. Außer einer Perückenlocke von braunrötlicher Färbung (infolge Verwitterung) waren keine Reste von Bekleidungsstücken auffindbar.
Zwischen Skelett und Gruftwand wurde eine Seitenwand des Sarges in stark brüchigem Zustand vorgefunden, die jedoch noch deutlich eine Politur aufwies und als Nußholz bestimmt werden konnte.
Nachdem die Kommission auf Grund der Wahrnehmungen und Merkmale, die sich mit den Feststellungen der fürstlichen Kommission aus dem Jahre 1932 voll­kommen decken, einhellig feststellte, daß das herausgenommene Skelett nur das des Joseph Haydn sein könne, wurde dasselbe in den für den Sarkophag bestimm­ten Kupfersarg eingebettet. Der vorgefundene fremde Schädel, der bisher beim Haydn-Skelett lag, wurde in die Gruft zurückgelegt.
Die Gebeine im Kupfersarg wurden mit den an der Grabtafel Vorgefundenen Wid-mungsschleifen bedeckt, worauf dieser Sarg zugeschraubt und versiegelt wurde. Die Gruftplatte wurde hierauf wieder geschlossen, vermörtelt und mit einem Vorhängeschloß versperrt. Bald darauf wurde der Sarg in die Bergkirche zur Aufbahrung vor dem Hochaltar getragen, wo er bis zur feierlichen Schädelbeisetzung am 5. Juni 1954 verblieb.
Die vom Schriftführer in der Gruft selbst angefertigte und hernach vom Städtischen Bauamt maßgerecht hergestellte Skizze der Haydngruft bildet einen Bestandteil dieser Exhumierungsniederschrift.
Diese Niederschrift wird in drei Ausfertigungen errichtet, von denen eine das Amt der Burgenländischen Landesregierung erhält, eine für das Bgld. Landesmu­seum bestimmt ist und eine im Archiv der Freistadt Eisenstadt verbleibt.

Eisenstadt, am 4. Juni 1954
Die Amtsabordnung:

Hans Tinhof
Bürgermeister

                Dr. Ernst Nindl                                     Cserny Oskar
                Stadzphysikus                                Magistratsdirektor

                Adalbert Riedl                                    Schmit Ernst
                Regierungsrat                                Städt. Angestellter

Die Zeugen:
Hans Bögl
Landesrat der Bgld. Landesregierung


                Probst Franz                                Franz Soronics
            Landesangestellter                    Landesbeamter u. Vertreter
                                                            des Pfarrkirchenrates der
                                                            Pfarre Oberberg-Eisenstadt


Der Antragsteller:
Prälat Dr. Josef Koller
Propstpfarrer der Pfarre Oberberg-Eisenstadt

 

So hat Haydn doch noch – fast 150 Jahre nach seinem Tod – jenes echte Begräbnis erster Klasse erhalten, das er sich in seinem Testament ausdrücklich gewünscht hatte.
Der "falsche" Schädel wurde in die Gruft zurückgelegt.

Fotosammlung Margarete Kohs

 

Gedenktafel in der Bergkirche in Eisenstadt


Quellenhinweis:

Viele Inhalte stammen von Wikipedia, von den Haydn-Kids, bzw. vom Artikel „Ein Schädel sucht seinen Körper“ von Brigitte Biwald im Austria-Forum, 2009.
Burgenlaendische-Heimatblaetter_21_0188-0193-1.pdf






Kommentare

Beliebte Posts