Das "Mordhaus" - eine Mordsgeschichte, die keine war


Diese Geschichte zeigt uns, was Gerüchte anrichten können:


Vor gut 90 Jahren hatte ein Fund in der oberen Neusiedlerstrasse unglaubliche Auswirkungen, die Zeitungen berichteten umfassend:


Illustrierte Kronenzeitung Nr. 12045, Seite 4, vom 3.8.1933
 
Im Hahnenkamp‘schen Hause in der damaligen Bürgerspitalgasse 308, in dem eine Gemischtwarenhandlung betrieben wurde.



Im Mai 1929 sollte eine Kellerstiege aus Stein durch eine Holztreppe ersetzt werden.




Der damals 17-jährige Johann Hahnenkamp wollte am 17.5.1929, dem Johannestag, die Steintreppe abbauen und entfernte die beiden unteren Steinstufen. Als er mit seinem „Krampen“ tiefer grub, stieß er auf Knochen.
Seine Mutter wußte, dass der Voreigentümer, namens Spazierer, im Rufe eines Wilddiebes stand, und sie vermutete daher Rehknochen. Doch bald wurden auch Schädelknochen gefunden, sodaß die Polizei gerufen wurde.


In der Folge fand man noch zwei Skelette.



Gerichtlich bestellte Amtsärzte stellten fest, dass es sich um die Gebeine eines Mannes in mittleren Jahren, einer etwas jüngeren Frau und eines Kindes handelte. Man ging davon aus, dass die Leichen beim Verscharren unbekleidet gewesen waren. Beim Skelett der Frau fand man eine stark verrostete Klinge und ein Medaillon aus einer Metallfassung mit zwei Gläsern. Darin befand sich ein bedruckter Papierstreifen mit dem Anfang des Evangeliums des Johannes.
Die Amtsärzte erstatten ein Gutachten, dass die Skelette erst 15 bis 25 Jahre alt seien.

Der Leiter des bgld. Landesmuseums, Dr. A. Barb, schätzte allerdings aufgrund des aufgefundenen Amulettes, dass die Skelette ca. 200 Jahre alt seien. Denn ein in allen Äußerlichkeiten und im Erhaltungszusteand gleiches Amulett befand sich damals schon im Museum der ungarischen Stadt Veszprem. Dieses Amulett stammt aus dem Grab eines 1680 bestatteten Burghauptmanns.
 
 
 Dieser von Dr. Barb vorgebrachte Hinweis konnte aber die Fülle der von der Polizei zusammengetragenen Indizien nicht entkräften. 

Nachdem der Fund und das amtsärztliche Gutachten bekannt wurde, flackerten Gerüchte auf.
Man erzählte, dass etliche Jahre vorher einige Leute aus der Nachbarschaft, die nach Amerika auswandern wollten, plötzlich verschwunden seien. Man vermutete daher, dass diese Leute ermordet und ihrer Habseligkeiten beraubt worden waren. Spuren von Kalk ließen vermuten, das die Leichen mit Kalk übergossen wurden, um keinen Verwesungsgeruch entstehen zu lassen.
Ein anderes Gerücht besagte, dass während des 1. Weltkrieges russische Gefangene spurlos verschwunden seien.
Gegen die Familie Hahnenkamp wurde ein Strafverfahren wegen Mordverdachts eingeleitet und sie wurden in Haft genommen.
Da aber die Beweislast nicht ausreichte, wurde das Strafverfahren eingestellt und die Familie wieder enthaftet.
Doch die Enthaftung bedeutete leider nicht die Rehabilitierung, im Gegenteil, die Gerüchte verstummten nicht, der Versacht blieb. Die Leute kauften nicht mehr in der Gemischtwarenhandlung der Familie Hahnenkamp, das Geschäft musste schließlich geschlossen werden, und niemand fand sich, das „Geschäft im Totenhaus“ zu kaufen oder zu pachten.

Aber das Schicksal war gnädig. 
Am 28.7.1933 wurden im Hof Erdarbeiten für Wasserleitungsrohre vorgenommen. Und dabei fand man fünf Skelette.


Auf verhältnismäßig kleinen Raum, sorgfältig nebeneinander ausgerichtet, teilweise unter den Hausmauern. Neben den Skeletten fand man Holzspuren, Sargnägel und Tonscherben.
Der Leiter des bgld. Landesmuseums, Dr. A. Barb, untersuchte die Skelette und die Beigaben. Und er konstatierte, dass es sich wegen der Beigaben um Skelette aus dem 16. Jahrhundert handle.



Dazu kam, dass sich an der Stelle vor Jahrhunderten ein Friedhof befunden hat. Ob es sich um einen später aufgelassenen Notfriedhof aus der Türkenzeit oder aus der Pestzeit handelt, konnte nicht geklärt werden.
Ausschnitt aus "Die Stadtentwicklung im Überblick"
H. Prickler, Österr. Städteatlas, Band Eisenstadt

Durch diese neuen Funde wurde die Familie Hahnenkamp nach 4 Jahren endlich rehabilitiert.

Das Haus blieb bis ca. 1977 in Familienbesitz, in dem einen befand sich jahrelang die Getränkehandlung Grunner, in der Folge siedelten sich dort die Elektrogeschäfte der Familien Heinzl und König an.


Alle Fotos stammen von Originalen, die Andrea Heinzl zur Verfügung gestellt hat, bzw. von Abschriften aus diesen Dokumenten durch Hans Larnhof.

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