Das Haydnhaus

 

Als Haydn 1761 nach Eisenstadt kam, dürfte er in einer der Wohnungen des sogenannten „Musikgebäudes“, das sich westlich an die Bergkirche am Oberberg anschließt und ursprünglich als Gasthaus gedient hatte, später das „Margaretinum“ (eine Klosterfrauensiedlung mit Schule) beherbergte, gelebt haben, vielleicht in der Wohnung im Südosteck des ersten Stockes neben dem Probensaal.

 

Margaretinum 2011
Quelle: Wikipedia

Nach dem Tod von Haydns Vorgesetzten, dem ersten Kapellmeister Gregor Joseph Werner, am 3. März 1766 scheint eine Umgruppierung der Musikerwohnungen erfolgt zu sein. Jedenfalls sah sich Joseph Haydn nach einer Wohnung in der Freistadt um. Am 2. Mai 1766 kaufte er das Haus Nr. 82 in der Klostergasse, heute Haydngasse 21, von der Besitzerin, der verwitweten bürgerlichen Adlerwirtin Euphrosina Schleicherin; sie war die Witwe des Jakob Schleicher, Bürger des äußeren Rats. Das Haus hatte in den vorhergehenden Jahren öfters den Besitzer gewechselt. 1756 war der bürgerliche Schneidermeister Michael Pichler Inhaber des Gebäudes; an seine Stelle tritt 1757—62 der Obrist Johann von Liptay (die Hausnummer war damals noch 78) und seit 1762 erscheint Euphrosina Schleicher als Besitzerin auf. Im Grundbuch 1758 (Stadtarchiv Eisenstadt) finden wir das Haus samt den dazugehörigen Grundstücken genau beschrieben:

„Nr. 78; 9ter Klasse 5 fl 40 Tit. Herr Obrist Johann von Liptay.
1 Hofstatt
in der Höhe
2 schöne große stockendorte (stuckatierte) Zimmer auf die Gassen
1 große Kuchl
1 Zimmer, so nicht gewölbt mit 1 Verschlag im Hofstatt
1 Vor Sall, so klein
Zu ebener Erd
Ein Zimmer auf die Gasse so nicht gewölbt
Ein Zimmer in Hof nebst Kuchl
Eine gewölbte große Cammer hinterwärths
Ein Vorkeller nebst einem größeren daran
Eine Stallung auf 4 St.
Eine gewölbte gebüderte (mit Bretterfußboden) Einfahrt zum Thenn
Hausgründ
3 M (Pfund [Weingartenmaß], etwa 80-100 Klafter groß)
1 Joch (1200 Qudratklafter = 57 ar 55 qm)
½ Joch in ½ Jochen
4 Lüß (Waldmaß) Waldungen
1 Kuchl Gärtl beym Spittal
An Vieh
1 Kuh
1 Kalben
Inwohner
Simon Großmann, ein Hauer, hat M Alten Weingarten.“

Die Anordnung der Hausräume ist trotz der mehrfachen Brandkatastrophen bis heute im Ganzen etwa dieselbe geblieben. Auch gehören sämtliche angeführten Grundstücke mit Ausnahme der Steinmühläcker jedenfalls noch bis 1927 zum Haus.

Das „Kuchlgärtl hinter den Spittal“ liegt hinter dem ehemaligen Bürgerspital, heute Bank Burgenland, auf dem noch heute das Haydn-Gartenhaus steht.

Der Ankauf dieses Besitzes dürfte Haydn nicht leicht gefallen sein, bezahlte er den Kaufpreis doch in 11 Raten bis April 1767. Euphrosina Schleicher wohnte noch bis zu ihrem Tod im Jänner 1767 im nunmehr Haydn’schen Haus.

Haydn konnte sich dieses Hauses aber nicht lange erfreuen, denn am 2. August 1768 brach in der Stadt ein großer Brand aus, der 2 Tage andauerte, und der besonders die heutige Haydngasse verwüstete, so auch Haydns Haus. Sein Gesamtschaden belief sich auf 1.148 Gulden und 27 Kreuzer, also mehr als die Hälfte des Kaufpreises, um den er das Haus samt Grundstücken später weiterverkaufte. Obwohl der Fürst ihm das Haus wieder aufbauen ließ, dürften zahlreiche Kompositionen und Instrumente verbrannt sein.

Kaum hatte sich Haydn von dem schweren Schaden einigermaßen erholt, gab es am 17. Juli 1776 neuerlich einen Großbrand, wobei der Schaden diesmal nicht so groß war, nämlich 363 Gulden. Auch diesmal hat Fürst Nikolaus der Prachtliebende den Bauschaden wieder gutgemacht. Auch der Verlust an Manuskripten war geringer, weil sein Schüler Pleyel einige der wertvollsten Werke ohne Haydns Wissen abgeschrieben hatte.

Neben diesen Widrigkeiten hatte Haydn häufig Streitigkeiten mit seinen beiden Nachbarinnen:
Im Haus Klostergasse 81 (heute Haydngasse 19), wohnte Magdalena Frumwaldin, bürgerliche Weissgerberin, deren Haus heute zum Haydnmuseum dazugehört. Auf der anderen Seite, Klostergasse 83 (heute Haydngasse 23), wohnte Theresia Spächin, Witwe des fürstlichen Beamten Georg Späch.
Im August 1776 klagte Theresia Spächin, dass beim Aufbau nach dem Brand eine „nachtheilige Dachung“ vorgenommen worden sei. Der Ausgang dieses Prozesses ist wegen Verlustes der Akten unbekannt.

Fotosammlung Margarete Kohs


In den Justizialakten des Stadtarchivs aus 1769 wird ein Streitfall beschrieben, weil Haydn nach dem Brand von 1768 zur Stütze des neu aufgerichteten Daches eine anstelle einer Holzwand auf Haydns Kosten hergestellte Mauer benutzte, die Haydns Anwesen von dem der Frau Frumwald trennte und diese zur Selbsthilfe griff und durch Entfernen der Stütze – um halb fünf Uhr Früh – , eienn Teil des Dachsparrenwerk des Haydnhauses zum Einsturz brachte. In einem Vergleich wurde die Trennmauer für gemeinschaftlich anerkannt und beiden Parteien untersagt, auf den von ihnen errichteten Teilen "aufzubauen". 1773 begehrte Haydn beim Rat der Stadt einen Revers, da Frau Frumwaldin entgegen dem seinerzeitigen Vergleich auf "ihrem" Teil der Mauer aufgebaut habe.

Am 27. Oktober 1778 verkaufte Haydn das gesamte Anwesen um 2.000 Gulden an den fürstlichen Buchhalter Anton Liechtscheidl. Haydn dürfte in der Folgezeit wieder in einem fürstlichem Gebäude, wahrscheinlich nunmehr in der Musikerwohnung des Musikgebäudes, gewohnt haben.

Das Haydnhaus erlebte in der Folgezeit noch mehrfachen Besitzerwechsel:

1781 war im Grundbuch noch Theresie Liechtscheidlin auf, 1784 der fürstliche Rentmeister Franziskus Häuler, 1794 der fürstliche Raitoffizier Anton Boje, ab 1803 der Handwerker und Magistrat Matthias Strodl, ab 30.6.1842 der Bräumeister Johann Jakob aus Sommerein, nach seinem Tod 1876 seine Enkelinnen Frida und Karoline Kornmüller.
Zwei Gedenktafel schmücken das Haydn-Haus: eines mit ungarischem Text aus 1898, das ander mit deutscher Inschrift aus 1923.

 

Haydnhaus um 1912
Foto: PÉCHY LÁSZLÓ

 

Haydnhaus um 1912
Foto: PÉCHY LÁSZLÓ

1925 wurde der Heimatschutzverein gegründet, der auch eine Sammlung an Erinnerungsstücken ankaufte. Als 1926 das Landesmuseum gegründet wurde, stellte der Heimatschutzverein seine Objekte zur Verfügung. Nach dem Ende der Ausstellung mietete der Verein Räume des Haydnhauses an, um die Sammelstücke unterzubringen. 1935 konnte der Verein von Frau Kornmüller drei Räume mieten, u. zw. jene Räume, die Haydn persönlich für den Alltag benützt haben soll. Im ersten Inventar scheinen die Textbücher zu den „Sieben Worten“ und zu der „Schöpfung“ auf, sie waren der Grundstock der Museumssammlung.


Haydnhaus 1931
Quelle: ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung (POR)

Der Verein konnte Gönner finden, so die Bgld. Landeshauptmannschaft, die Stadt, die Geldinstitute und Versicherungsgesellschaften, Herr Wolf half mit Vitrinen aus, das Elektrizitätswerk ließ alle nötigen Installationen kostenlos durchführen und spendete auch die Leuchtkörper.

Am 23.6.1935 fand die feierliche Eröffnung des Museums statt, es wurde auch weiter von Frau Hydn betreut, welche auch mit ihrer Mutter den Vordertrakt des Hauses bewohnte.

Damals entstand auch der Plan, das ganze Haus käuflich zu erwerben, was natürlich auch Geldsorgen auslöste. Es wurden daher Aufrufe in Tageszeitungen erlassen, und der Bildhauer Ambrosi hob bei den Besuchern seines Ateliers in Wien Spenden ein. Außerdem spendete er eine stattliche Summe, die er anlässlich der Enthüllung des Lisztdenkmals 1936 bekam. Univ. Prof. Dr. Eduard stiftete so viele Erinnerungsstücke von Liszt, dass mit ihnen ein ganzes Zimmer ausgefüllt werden konnte. Erinnerungsstücke an Fanny Elßler kamen in reichem Maße durch ihre Verwandtschaft, so von Frau Püschely, Frl. Fajt und von Altbürgermeister Ecker in Rust.

 Fotosammlung Margarete Kohs

Am 15.12 1937 schloss der Vereinsobmann einen Kaufvertrag um 24.000 Schilling mit Frau Kornmüller für das Haus in der heutigen Haydngasse und das Haydnhäuschen ab, wobei Ratenzahlung vereinbart wurde. 1938 übernahm die Landeshauptmannschaft und dann der Gau Niederdonau die ausständigen Raten, sodass das Haus in Landesbesitz überging. Die Gauhauptmannschaft bestimmte, dass Erinnerungsstücke an Haydn, Liszt und Fanny Elßler vom Privatmuseum Wolf ins Haydnmuseum integriert wurden.

Treppe im Haydnhaus im Laufe der Zeit:





Während des Krieges und der Besatzungszeit hatte das Museum keinen Schaden erlitten. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Haus zusammen mit verschiedenen Sammlungen in das Eigentum des Landes Burgenland übergegangen, das Gebäude wurde in den 1970er Jahren zu einer Haydn gewidmeten musealen Gedenkstätte umgestaltet. 

 

Fotosammlung Margarete Kohs

Während der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten zum Haydn-Jahr 2009 wurden die originalen Wandgestaltungen der Haydn-Zeit in zwei Zimmern freigelegt. Heute sind die Räume mit originalen Möbeln aus der „Haydnzeit“ eingerichtet, die Grundlage für die Dauerausstellung „Zimmer, Kuchl und Cammer“ darstellen. Außerdem werden Originalportraits von Haydn, persönliche Briefe, Noten und musikalische Widmungen gezeigt, sowie ein Anton Walter-Hammerflügel von 1780, ein Porträtmedaillon von Haydns Gattin Maria Anna Theresia und vieles mehr. 



Fotos: © Heiling / Lorenz

 

Frau Margarete Kohs, die so viele Fotos gesammelt, affichiert, kommentiert und geordnet hat, am 13.5.2010 im Hof des Haydnhauses

Und von Zeit zu Zeit, wenn es die Pandemie wieder erlaubt, gibt es Führungen in historischen Kostümen „Bei den Haydns - ein schrecklich nettes Ehepaar“.

 





Fotos: Hans Larnhof, 10.5.2019

Quellen:

  • Dr. Ernst Fritz Schmid, Joseph Haydn in Eisenstadt, Burgenlaendische-Heimatblaetter_1_0002-0013-2.pdf

  • Oskar Gruszecki, Die Entstehung des haydnmuseums in Eisenstadt, Burgenlaendische-Heimatblaetter_21_0087-0090.pdf

  • Berichte des Bgld. Heimat- und Naturschutzvereins, Feierliche Eröffnung des Haydnmuseums in Eisenstadt, Burgenlaendische-Heimatblaetter_4_0162-0164.pdf

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