Vom k.k. Kadetteninstitut zur Martin-Kaserne


Die Ereignisse der Revolution von 1848/1849 führten zu einem erhöhten Bedarf an Offizieren und Führungskräften und in weiterer Folge zur Einrichtung von Kadettenschulen im Kaisertum Österreich. Es wurden mehrere Kasernen gebaut, wie etwa das Arsenal (Wien) (1849 bis 1856), die Rossauer Kaserne in Wien (1865 bis 1869) und die Martinkaserne.

Nachdem der Kaiser im Jahr 1852 das Bildungswesen des Militärs reformiert hatte, erteilte der Obergespan von Ödenburg dem Magistrat von Eisenstadt im Oktober 1852 den Auftrag zur Bereitstellung von zwanzig Katastraljoch als Bauplatz, sowie zur Benützung der städtischen Ziegelöfen, von Steinbruch und Sandstätten.

Im Mai 1853 erfolgte die Bauausschreibung für das „Kadetteninstitut Eisenstadt“ mit folgenden Vorgaben:

  • dreistöckiges Gebäude mit drei Risaliten
  • 144 Meter lang und 15,6 Meter breit
  • Schwimmschule und Einfriedungsmauer
  • Baukosten 300.000 fl. CM (Conventionsmünzen)
  • Vollendung 30. Juli 1855

Unter der Bauleitung von Sigismund von Malinowski, Hauptmann des Genie-Stabes, entstand als Gegengewicht zu dem im Westen der Stadt gelegenen Schloss Esterházy das symmetrisch angelegte, lange dreiflügelige Hauptgebäude. 

Auch ein Sportplatz und eine Schwimmschule mit Vorwärmbassin wurden in dem parkartigen Areal errichtet. Der Baubeginn war am 2. August 1853, allerdings verzögerte sich der Termin der geplanten Fertigstellung, sodass die Eröffnung erst am 1. Mai 1858 mit knapp dreijähriger Verspätung erfolgte.

Bei der im August 1853 begonnenen Herstellung der Baugrube für das Fundament stieß man häufig auf Gesteinsschichten, die gesprengt werden mussten. Dadurch trat wiederum Grundwasser in die Baugrube ein, was bereits bei den Vorbereitungsarbeiten zu einer erheblichen Verzögerung des Baufortschrittes führte. Weil es in weiterer Folge – vermutlich auch aus finanziellen Gründen – zu neuerlichen Bauverzögerungen kam und das Gebäude zum vorgesehenen Vollendungszeitpunkt im Juli 1855 kaum die Höhe des ersten Stockwerkes erreicht hatte, wurde 1856 ernsthaft überlegt, den Bau wegen des schleppenden Fortschrittes einzustellen. Dennoch wurde der Bau vollendet, wobei die abschließenden Bauarbeiten auch nach der offiziellen Eröffnung bis in das Jahr 1859 hinein dauerten. Neben der Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit kam es auch zu einer bedeutenden Überschreitung der prognostizierten Baukosten, die schließlich knapp über 953.096 fl., also um mehr als das Dreifache über dem Voranschlag lagen.

Fotosammlung Margarete Kohs

Nach der Eröffnung im Jahr 1858 wurden 200 Zöglinge aus Straß in der Steiermark nach Eisenstadt umgesiedelt.

Im Jahr 1871 erfolgte im Rahmen der Reorganisation der Militärinstitute die Auflösung des Kadetteninstitutes und im Jahr 1873 die Umgestaltung zur Infanteriekaserne. Zwei Infanterie-Bataillone wurden in der Kaserne untergebracht.

Offizierspavillon um 1870
Fotosammlung Margarete Kohs

Nach der Verlegung der beiden Infanterie-Bataillone nach Bosnien und Herzegowina im Jahr 1878 erfolgte eine Umgestaltung in eine Militär-Unterrealschule für 240 Zöglinge und im Jahr 1909 die Aufstellung der Militär-Oberrealschule.

Foto: Erwin Csacsinovits

Von 1892 bis 1894 besuchte der bekannte Schriftsteller Robert Musil die Militär-Unterrealschule in Eisenstadt mit dem Ziel, Offizier zu werden. Hier kam es zu jenen Erlebnissen und Erfahrungen, die Musil später im Roman „Die Verwirrungen des Zögling Törleß“ verarbeitete.

Quelle: Fotosammlung Margarete Kohs



Ansichtskarte K. u. K. Militär-Unterrealschule 1902
Fotosammlung Margarete Kohs

Offizierskasino
Fotosammlung Margarete Kohs
„Kismarton, am 23.11.1902
Liebe Mama!
Zu deinen Namenstag wünsch‘ ich dir, das du gesund bleibst, das dich der liebe Gott lange leben lasse und das du mich lieb behaltest bis an dein Ende.
Du sollst diesen Tag recht froh und heiter verbringen. Ich schließe jetzt den Wuunsch. Es grüßt un küsst Dich dein aufrichtiger Sohn …„“


orig: PÉCHY LÁSZLÓ

Korridor in der Militär-Unterrealschule um1912
Foto: Erwin Csacsinovits
orig: PÉCHY LÁSZLÓ

Korridor in der Militär-Unterrealschule um1912
Foto: Erwin Csacsinovits
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Foto: Wikimedia commons
17.4.2014


Speisesaal im Erdgeschoss der k.-k. Militärrealschule 1912
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Schlafsaal in der k.k. Militärrealschule 1912
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Auch die schönen Künste wurden in der k.k. Militärrealschule 1912 geübt
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Zahnärztliche Behandlung in der k.k Militärrealschule 1912
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


um 1910, Kaiser Franz Josef Büste in der Martin-Kaserne
orig: PÉCHY LÁSZLÓ



orig: PÉCHY LÁSZLÓ

Schwimmschule der k.u.k. Oberrealschule
Fotosammlung Margarete Kohs


Beim Schwimmbecken um 1912
Foto: Erwin Csacsinovits
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Während des Ersten Weltkrieges waren von 1914 bis 1918 Frontkader mehrerer Regimenter in der Kaserne untergebracht.

Fotosammlung Margarete Kohs


Dem Militär folgte der dazugehörige Train, die Fuhrabteilung des Heeres, mit den vollbeladenen Lastautos. Hier trifft gerade so ein Wagenzug vor dem Nordportal der damals zur Kaserne umfunktionierten Militäroberrealschule ein.
Ratlos stehen die Soldaten da und wissen anscheinend nicht, wo sie die Last abladen könnten, es war ihnen hier ja noch alles fremd.
Die großen Lastautos mit den Vollgummireifen, mit denen das Bundesheer ins Land kam, waren in jener Zeit hier noch unbekannt und wurden daher besonders von der Jugend bestaunt.


Zöglings-Exerzieren gehörte neben den üblichenLehrgegenständen selbstverständlich auch zum Lehrplan der k.u.k Militärober- und unterrealschule. Diese militärischen Übungen wurden in Gruppen meist unter dem Kommando eines hierfür ausgebildeten Wachtmeisters auf dem großen, im Ostteil des Institutsparks gelegenen Exerzierplatz durchgeführt.

Von hier aus ist auch der Hetscherlberg zu sehen, der vom Militär gerne als Übungsgelände verwendet wurde.

Fotosammlung Margarete Kohs


Auf diesem Platz fand am Pfingstsonntag, dem 11.5.1913, auch ein für diese Zeit noch seltenes Sportereignis statt, u.zw. ein Fussballmatch zwischen der Mannschaft dieser Schule und der Marineakademie von Fiume. Eisenstadt siegte dabei 3:2.

Am Sportplatz der k.k. Militärrealschule 1912, heute Martinskaserne
orig: PÉCHY LÁSZLÓ


Im Jahr 1918 wurde die Kaserne in „Honved-Oberrealschule“ umbenannt. Kommandant war der Major der Ungarischen Nationalarmee und Theresienritter Jakob Vass-Wiblinger.

Im Jahr 1922 zog die Bundesmittelschule samt Schülerheim im dritten Stockwerk des Gebäudes ein und das „Burgenländische Feldjägerbataillon Nr. 1“ wurde von Wiener Neustadt in die Kaserne nach Eisenstadt verlegt.

Nach dem Untergang der Habsburgermonarchie wurde Österreich im Vertrag von St. Germain der deutschsprachige Teil Westungarns zuerkannt. Mit dem „Bundesverfassungsgesetz über die Stellung des Burgenlandes als selbständiges und gleichberechtigtes Land im Bund und über seine vorläufige Einrichtung“ vom 25. Jänner 1921 konnte daraufhin die Aufnahme des Burgenlandes als eigenes Bundesland in die Republik Österreich geregelt werden.

Am 15. Juli 1922 trat der neu gewählte Burgenländische Landtag zur konstituierenden Sitzung in der Kaserne in Eisenstadt zusammen und das zweite Stockwerk wurde von da an bis zum Jahr 1930 vom Burgenländischen Landtag genutzt. Erster Landtagspräsident des jüngsten Bundeslandes war Josef Wimmer.

Quelle: Bgld. Volkshochschulen, #politikerleben


Die erste Landtagssitzung fand nicht in einem der großen Säle statt. „Ehemalige Klassenzimmer wurden für den Sitzungsaal zusammengelegt und adaptiert. Man hat die Klassen ausgeräumt, eine Trennwand herausgenommen, ein Podium für die Landesregierung hineingesetzt und auf der anderen Seite die Bänke für die Landtagsabgeordneten“, so Archäologe Josef Eitler.

Da nun mehrere Institutionen im Gebäude untergekommen waren, begegneten sich in den Stiegenhäusern die Spitzen des Landes, die Schüler und die Soldaten, „was sowohl aus pädagogischen als auch hygienischen Gründen zu Schwierigkeiten führen musste“

Im Sommer wurde vor allem die Schwimmschule im weitläufigen Park genutzt, die ab Mai 1923 auch für die Bevölkerung offen stand.

Die ehemalige Schwimmschule der k.u.k. Oberrealschule
Fotosammlung Margarete Kohs


Elisabeth Helfer, die 1938 aus Eisenstadt fliehen musste, verband damit eine Jugenderinnerung: „Ich erinnere mich an die Sommer, wo wir ins Militärbad gegangen sind, und zwar bei 14° (...). Das war damals noch die alte Art, schwimmen zu lernen, zuerst mit einem Gürtel und einem Strick und einer Stange, dann ist die Stange weggelassen worden, zuletzt ist man nur mit dem Strick gehalten worden. Zum Schluß hat man nur noch den Korkgürtel gehabt.“

Die ehemalige Schwimmschule der k.u.k. Oberrealschule
Fotosammlung Margarete Kohs



Während der Jubiläumsausstellung "10 Jahre Burgenland“ 1931 entstand dieses Bild
Quelle: ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung (POR)


Zwischen 1938 und 1945 nutzte die deutsche Wehrmacht das Areal der Kaserne, welche anschließend bis zum Jahr 1955 als Quartier für die sowjetische Besatzungsmacht diente.

Foto: Gerald Wisak

Zwischen 1955 und 1959 erfolgte mit einem Aufwand von etwa 30 Millionen Schilling eine Generalsanierung des Gebäudes und das ehemalige Stabsgebäude aus dem Jahr 1906 wurde in ein Krankenrevier umgebaut.

Im Jahr 1957 konnten die ersten Wehrpflichtigen in die Schulkaserne einrücken, in der das Infanteriebataillon 2 stationiert war.

Und so sah es außerhalb der Kaserne aus:

Die Kaiseralle, vermutlich in den 1930er Jahren
Fotosammlung Margarete Kohs


Diese schöne Pappelallee war einst die Zierde der Stadt und der ganzen Landschaft. Sie wurde nach dem Bau der Kadettenschule angelegt und führte von der Schützener Straße zum südlichen Hauptportal des so genannten Instituts, dessen charakteristischer Giebel zwischen den Bäumen schon beim Einbiegen in die Allee dem Besucher ins Auge fiel.
Benützt wurde diese Zufahrt angeblich nur, wenn der Kaiser selbst zu Besuch kam. Wahrscheinlich wurde die Allee dann deshalb als "Kaiserallee" bezeichnet. Kaiser Franz Josef I. zeichnete einige Male die Anstalt durch seinen "hohen Besuch" aus.
Die Pappeln mussten entfernt werden, da sie schon morsch waren.

Die Kaiseralle, vermutlich in den 1930er Jahren
Fotosammlung Margarete Kohs



Die Kaiserallee am 18.8.2020
Foto: Hans Larnhof

Blick vom südlichen Tor in die Kaiserallee
Fotosammlung Margarete Kohs


Der Kaserneneingang in der Ing.-Hans-Sylvester-Straße
Die Kapelle rechts im Bild wurde nach 1938 abgetragen.
Danach befand sich hier ein Obststand, der sich in den Sommermonaten eines regen Zuspruchs erfreute, denn hier führte der Weg zum Militärfreibad vorbei
Fotosammlung Margarete Kohs


Das Schwaigerkreuz am Eingang zur Kaserne
1928 abgetragen und an der Parkmauer rechts des Tores wieder aufgebaut. 1938 aus verkehrstechnischen Gründen endgültig abgetragen.
Fotosammlung Margarete Kohs


Der nicht mehr bestehende Fußweg entlang der Kasernenmauer in der Ing.-Hans-Sylvester-Straße
Fotosammlung Margarete Kohs


Die Umbenennung der Schulkaserne in „Martinkaserne“ nach dem Landespatron, dem heiligen Martin von Tours, erfolgte im Jahr 1967.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts begann eine etappenweise Generalrestaurierung. Begonnen wurde mit der Kapelle, es folgten Sanierungen und Restaurierungen der Umfassungsmauer der Anlage, der Sockelzone des Gebäudes aus Naturstein und des Innenbereiches im westlichen Erdgeschoßflügel. Weitere Arbeiten betrafen die Wiederherstellung des repräsentativen Vestibüls in den ursprünglichen Zustand und die Restaurierung der verwitterten und verschmutzten Fassade.

Südfassade des Hauptgebäudes
Quelle: Wikipedia


Am 1.5.2018 wurde des 160-jährigen Bestehens der Kaserne gedacht und auch der elfte Traditionstag der Heerestruppenschule abgehalten. Der Festakt wurde von der Militärmusik Burgenland, des Insignientrupps der Heerestruppenschule, einer Ehrenkompanie sowie einer Abordnung der Partnerschule aus der Deutschen Bundeswehr umrahmt.

Quelle: ORF Burgenland

Heute beherbergt die Kaserne das Militärkommando Burgenland, Teile und das Kommando der Heerestruppenschule und die Militärmusik Burgenland. Bis zum Ende des Assistenzeinsatzes war der Einsatzstab für den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz nach Schengenerweiterung (= AssE/SchE) hier stationiert.

Quellen:

  • Facebookgruppe „Eisenstadt – einst und heute
  • Fotosammlung Margarete Kohs
  • Wikipedia
  • Wikimedia commons 
  • Brigitte Kriszanits, Eisenstadt Blitzlichter zur Geschichte 1900 bis 1945, 2018
  • Karl Semmelweis, Eisenstadt Ein Führer durch die Landeshauptstadt, 1988
  • Theodor Möbius, Eisenstadt, ein Führer durch Österreichs jüngste Landeshauptstadt, 1938
  • ORF Burgenland: Bericht zum 160-jährigen Bestehen 

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